Rede von Frau Schimmer-Göresz, Bundesvorsitzende der ödp, zum Globalen Aktionstag am 18. April 2015 in München

Liebe TTIP-Gegner und solche, die es noch werden wollen.
Ich freue mich, Sie alle hier begrüßen zu können. Danke, dass Sie so lange ausgeharrt
haben. Sie stärken die Hoffnung, dass sich Menschen noch bewegen lassen und sich gegen
Unrecht und Unterwerfung stemmen.
Hier sind nicht die Amerika-Hasser, die Chlorhühnchen-Spießer, die Hysteriker oder
Blockierer. Hier sind Bürgerinnen und Bürger, die sich für Fairness und gegen Ausgrenzung
einsetzen. Hier harren seit Stunden die aus, die die Reste unserer Demokratie und unserer
Rechtsstaatlichkeit schützen.
Wenn Angela Merkel und Sigmar Gabriel den Bürgerdialog suchen, dann hätte sie heute
nach München kommen sollen. Sie hätten hautnah erleben können, was die Bürgerinnen
und Bürger bewegt.
Einmal angenommen, es gäbe in den USA keine Chlorhühner, keinen Genmais und keine
Hormonfütterung.
Angenommen, die Schiedsstellen für Streitigkeiten zwischen Konzernen und Staaten wären
vom Tisch.
Angenommen, die sozialstaatlichen Traditionen Europas und die hohen Standards z.B. beim
Umwelt- und Verbraucherschutz erschienen den Verantwortlichen in den USA nicht als
unheimlich, sondern würden dort mehr und mehr akzeptiert.
Müsste man dann nicht für die Freihandelsabkommen TTIP & Co. sein?
Nein, selbst dann nicht. Denn auf zwei gewaltige Weltprobleme unserer Zeit liefern die
Freihandelsabkommen keine Antworten.
1. Mit dem weit verbreiteten Elend in vielen Ländern darf man sich nicht mehr abfinden. Dort
muss ein menschen-würdiger Zustand erreicht werden. An diesem Ziel hat sich die
Weltwirtschaft zu orientieren.
2. Gleichzeitig muss die Ressourcen-verschwendung gestoppt werden, die den Planeten
aufzehrt.
Um diese beiden Probleme kümmern sich die aktuellen Freihandelsabkommen nicht. Im
Gegenteil: Freihandelsabkommen sind nicht die Lösung, sie sind das Problem!
Ziel der Abkommen ist es, die weltweit größten ökonomischen Systeme (EU und
Nordamerika) weiterhin auf Ressourcen-verbrauch einzuschwören und den Abstand zu den
armen Ländern noch zu erweitern.
Genau besehen geht es sogar um Ausgrenzung der Armen, wenn die Reichen gemeinsame
Sache machen. Papst Franziskus hat die Dinge auf den Punkt gebracht: „Eine Wirtschaft die
ausgrenzt, ist eine Wirtschaft die tötet.“ Wir brauchen Abkommen zum Welthandel. Aber die
Ziele müssen völlig anders gesetzt werden.“
2011 sprach Prof. Radermacher, ein bekannter Globalisierungskritiker, Gründungsmitglied
des Club of Rome, über die Zukunft der Weltwirtschaft. Er stellte im Wesentlichen zwei
Alternativen vor, die uns als Menschheit noch zur Verfügung stehen: „Balanced World“ mit
Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern, Ökologisierung der Wirtschaft,
Ökologisierung der Landwirdschaft, Ressourcenschonung etc. einerseits oder
Rede Gabriela Schimmer-Göresz, ÖDP, 18.04.15 Demo Stop TTIP in M 2
„Brasilianisierung“, d.h. Auseinanderdriften der Gesellschaft, kleine superreiche Oberschicht,
verarmte Unterschicht, rücksichtslose Ausbeutung der Natur andererseits.“
Dies ist nicht mehr nur eine theoretische Vorstellung. Das ist an vielen Stellen der Welt
Realität und Grund für das Verlassen von Heimat, für Migration, für das Sterben auf dem
Mittelmeer und anderswo. Wir müssen nicht unsere Asylgesetze anpassen, wir müssen
Wirtschaft fair, sozial, ökologisch und demokratisch gestalten.
Nach Rademacher sprach 2011 der Präsident des Niedersächsischen Land-volk
Landesbauernverbandes, Hilse. Er sagte: „Ich glaube nicht an Utopien, ich stelle mich
auf die Brasilianisierung ein. Man muss dann aber auch bereit sein, sein Eigentum mit
der Waffe in der Hand gegen die Unterschicht zu verteidigen.“
Liebe Leute, dieses Welt- und Menschenbild teilen wir hoffentlich nicht und daher müssen
wir alles dafür tun, dass die Freihandelsabkommen gestoppt werden.
Wirtschaftsminister Gabriel behauptet TTIP schafft Frieden, welch ein Irrtum. Gabriel meint
weiter: „Wenn wir das hier falsch machen, werden uns unsere Kinder verfluchen.“ Liebe
Leute, unsere Kinder werden uns verfluchen, wenn wir keinen Ausweg aus der Leitkultur der
Verschwendung finden, wenn wir nicht aufhören, um des lieben Profits und der Gier willen,
diesen Planeten, von dem wir nur einen haben, zu ruinieren.
Wir brauchen Alternativen zum Freihandel, wir wollen frei und selbst bestimmt handeln und
wir fordern die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft auf, Verantwortung zu
übernehmen für alle Menschen und nicht ein Klima zu schaffen, das einige wenige
multinationale Konzerne und deren Aktionäre zu Gewinnern und den Rest den Menschheit
zu Verlierern macht.
Ich habe dieser Tage ein hervorragendes Interview mit Jean Ziegler, dem Schweizer
Soziologen und Globalisierungskritiker gelesen. Er ist bekannt für seine
unmissverständlichen Ansagen.
Er sagt, wir leben in einer kannibalischen Weltordnung, die sich durch zwei Dinge
auszeichnet: eine unglaubliche Monopolisierung von politischer, ökonomischer und
ideologischer Macht in Händen weniger.
Für ihn ist Gerechtigkeit eine Frage des Gewissens.
Auch wenn die Menschen sich ohnmächtig fühlen. Eines stimmt: Diese absurde Weltordnung
ist von Menschen gemacht, also kann sie von Menschen auch gestürzt werden.
Die Alternative muss eine Weltordnung sein, die demokratisch, sozial, ökologisch und
friedlich ist. Also das Gegenteil von TTIP & Co.
Kosmetische Veränderungen am Vertragswerk lehnen wir ab. Wir fordern den STOPP der
Verhandlungen und eine Hinwendung zum Alternativen Handelsmandat mit der klaren
Richtung:
Mensch und Planet zuerst
oder wie es bei der ÖDP heißt:
Mensch vor Wirtschaft!
Danke.