Joachim Herrmann kritisiert Maulkorb für Gemeinden

Aus der bayrischen Staatszeitung

Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA genießt unter deutschen Kommunen einen denkbar schlechten Ruf. […] In den Rathäusern geht die Angst um, bei ureigenen Aufgaben der Daseinsvorsorge – wie beispielsweise der Trinkwasserversorgung, der Müllentsorgung oder dem Betrieb von Bus- und Bahnlinien im öffentlichen Nahverkehr – von privaten Anbietern ausgebootet zu werden. Immer öfter verabschieden deshalb auch in Bayern Lokalparlamente Resolutionen gegen TTIP: zuletzt unter anderem die Stadträte von Traunstein und Lichtenfels und der Bezirkstag von Oberbayern.

[…] Im Deutschen Bundestag haben Abgeordnete von Union und SPD deshalb, unterstützt vom Bundeswirtschaftsministerium, den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags gebeten, ein Gutachten zu erstellen, ob sich die Kommunen überhaupt mit diesem Thema beschäftigen dürfen. Ergebnis: Stadt- und Gemeinde dürfen sich weder mit den derzeit diskutierten Handelsabkommen wie CETA, TTIP und TiSA befassen, noch entsprechende Entschließungen zu diesem Thema verabschieden. Grund: Es handele sich dabei um so genannte allgemeinpolitische Angelegenheiten. Im Klartext: Bürgermeister und Gemeinderäte: Finger weg von der großen Politik, das geht euch nichts an! […]

Das offizielle Statement des bayrischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Freien Wähler: „Im Rahmen ihrer Aufgaben sei es den Gemeinden erlaubt, Beschlüsse zu fassen – demzufolge auch mit solchen, die sich mit einer etwaigen Beschränkung ihrer Aufgaben beziehungsweise einer Einschränkung ihrer Aufgabenerfüllung befassen.“ Grundsätzlich aber werde die Sicht des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags von Bayern „nicht geteilt“.

Den gesamten Artikel kann man hier lesen: www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/kommunales/detailansicht-kommunales/artikel/geplanter-maulkorb-fuer-gemeinden.html

Das EU-Umweltbüro teilt mit: Zwischenbericht über TTIP wird von den Ausschüssen des EU-Parlaments abgestimmt

Ausschüsse des EU-Parlaments stimmen über TTIP-Zwischenbericht ab

Das EU-Parlament arbeitet an einem Zwischenbericht zum Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. In dem Bericht werden Empfehlungen an die Kommission für die Verhandlungen gegeben. Fünf Ausschüsse haben bereits über ihre Stellungnahme zum Zwischenbericht abgestimmt, und zwar der Entwicklungsausschuss, der Industrieausschuss, der Binnenmarktausschuss, der Wirtschaftsausschuss und der Verkehrsausschuss. Drei Ausschüsse stimmen diese Woche darüber ab, und zwar der Innenausschuss, der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und der Beschäftigungsausschuss. In den kommenden Wochen müssen noch sechs weitere Ausschüsse des EU-Parlaments darüber abstimmen, darunter auch der Umweltausschuss.

Der Ausschuss für Internationalen Handel ist für den Zwischenbericht zu TTIP verantwortlich. Das Plenum soll über den Bericht vor dem Sommer abstimmen.

TTIP wirkt sich auf verschiedene Politikbereiche aus. Aus diesem Grund geben 14 Ausschüsse eine Stellungnahme zu dem Zwischenbericht ab. Der deutsche S&D-Abgeordneten und Vorsitzende des Ausschusses für Internationalen Handel Bernd Lange ist für den Bericht zuständig.

Auch die Fraktionen werden den Entwurf diskutieren. Die Abstimmung findet allerdings erst statt, wenn alle 14 Ausschüsse ihre Stellungnahme abgegeben haben.

 http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/content/20150220STO24366/html/Aussch%C3%BCsse-stimmen-%C3%BCber-TTIP-Zwischenbericht-ab

Europa selber schuld

In einem Artikel der Zeit, am heutigen Dienstag veröffentlicht, wird beschrieben, wie die EU selber in die Falle der besonderen Klagerechte getappt ist: Die EU-Kommission hat einen Verfahren gegen Rumänien eröffnet, weil… „das Land das Urteil eines solchen Schiedsgerichtes befolgt.“

Ganz Europa ist ein Irrenanstalt, in Brüssel ist die Zentrale?

http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-03/ttip-freihandel-ceta

Und das es gerade Rumänien trifft, eine Land, das nicht gerade in Samt und Seide gebettet ist, ist vollkommen absurd!

 

Fragt doch Euren Abgeordneten

Sigmar Gabriel hat die Fragen so beantwortet:

„Bei der Diskussion um das Transatlantische Handelsabkommen handelt sich um eine enorm wichtige Debatte, bei der es die Möglichkeit geben muss, diese auch kontrovers zu führen.  Viele Bürgerinnen und Bürger verbinden Vorbehalte und Sorgen mit dem Abkommen. Diese Fragen sachlich, ehrlich und offen miteinander weiter zu diskutieren, ist wichtig.“

Sprich Sigmar Gabriel sieht von einer Beantwortung der Fragen ab, obwohl sie angeblich wichtig sind.

Für München sitzen im Bundestag:

Johannes Singhammer, Florian Post, Doris Wagner, Dr. Wolfgang Stefinger, Claudia Tausend, Dr. Peter Gauweiler, Nicole Gohlke, Dr. Hans-Peter Uhl, Dieter Janecek

Und hier die Fragenliste:

1. Regulatorische Kooperation

Die regulatorische Kooperation im Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ermöglicht es Lobbyisten, geplante regionale Regulierungen und Gesetzesinitiativen im voraus zu prüfen und gegebenenfalls neu zu formulieren.
Sollte das Abkommen zum Abschluss kommen: Wie wollen sie diese Fußfessel für die Legislative und Entmündigung demokratisch gewählter Mandatsträger rechtfertigen?

2. Transatlantischer Handel und Datenschutz

Transatlantischer Handel findet heute zu 100% über das Internet statt.
Wie kann ein Freihandelsabkommen im „NSA-Zeitalter“ ohne umfassenden Datenschutz die Freiheit des Handels vor Ausspähung und den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten der Verbraucher garantieren?

3. Vorsorgeprinzip

Als einen Grundsatz ihrer Politik hat die EU das Vorsorgeprinzip verankert. Dieses besagt, dass Belastungen für die Umwelt oder Schäden für die menschliche Gesundheit (bei unvollständiger Wissensbasis) im Voraus vermieden oder weitgehend verringert werden sollen. Immer wieder sind
Politiker dem Druck der den Agrarmarkt beherrschenden Konzernen ausgesetzt, man möge dieses Prinzip aufgeben, da Chancen für eine konkurrenzfähige Landwirtschaft vertan würden (z.B. Zulassung GMO, Hormone in der Tiermast). Dass jedoch bei Missachtung des Vorsorgeprinzips der volkswirtschaftliche Schaden gegenüber den privatwirtschaftlichen Gewinnen ins Unermessliche steigen kann, stellte die Europäische Umweltagentur schon 2004 fest und beschreibt dies in
zahlreichen Beispielen.
Wie werden Sie sicherstellen, dass das Vorsorgeprinzip im Rahmen des Freihandelsabkommens aufrecht erhalten bleibt? Wenn Sie keine Einflussmöglichkeiten sehen, werden Sie dann gegen das Abkommen stimmen?

4. Einheitliche Standards

TTIP verspricht die Vereinheitlichung oder gegenseitige Anerkennung von Standards. In den USA liegt die Kompetenz für Definition und Überwachung von Standards aber in den meisten Fällen im
privatrechtlichen Bereich oder bei den Bundesstaaten. Die US-Bundesregierung hat also keinen direkten Einfluss darauf.
Wie wollen Sie sicher stellen, dass es im Zuge von TTIP keine einseitige Anerkennung von US-Standards in der EU ohne entsprechende Anerkennung der EU-Standards in den USA gibt?

5. Immaterialgüter

Ein Ziel von TTIP ist für Immaterialgüter im Zielland den gleichen Schutz zu garantieren wie im Ursprungsland.
Was halten Sie davon, dass damit Trivialpatente aus den USA in der EU durchsetzbar werden?

6. Investorenschutz und CETA

In dem jetzt vorliegenden Vertragstext des Freihandelsabkommens CETA der EU mit Kanada (http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf) ist ein Investorenschutz durch nicht staatliche Schiedsgerichte vorgesehen, deren Entscheidungen für die Vertragsstaaten
bindend sind. Kanada und die Mitgliedsstaaten der EU sind Rechtsstaaten. Halten Sie eine zusätzliche übergeordnete private Schiedsgerichtsbarkeit im CETA-Abkommen zur Durchsetzung unternehmerischer Interessen für erforderlich?
Würden Sie bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag dem CETA-Vertrag zustimmen?

 

Jaz&Politik auf BR2 war heute Abend über TTIP …

… und ist im Podcast zum Nachhören (aber nichts wirklich Umwerfendes dabei, wenn man sich schon länger damit beschäftigt. Allerdings mutete den Schluss etwas seltsam an: „Das Arge ist doch, dass wir nicht einmal wissen, ob und wovor wir uns fürchten sollen – weil alles eisern unter Verschluss bleibt. Kein Wunder, dass Verschwörungstheoretiker und Post-Demokraten Morgenluft wittern. Willkommen im Nebel!“):

http://www.br.de/radio/bayern2/politik/jazz-und-politik/ttip-freihandelsluege-102.html

IHK eigenes Kapitel für KMU

Die IHK für München und Oberbayern hat in ihrer Zeitung für Mitglieder einen Artikel zu TTIP auf Seite 9, der so gut wie keine Fakten enthält und nur Imageblabla enthält. Schon der Anriss ist bezeichnend „Der Mittelstand muss … eine zentrale Rolle spielen“ heißt es dort.  Oder es werden Ängste geschürrt wie „Wenn wir uns verweigern, erledigen das die USA allein oder die Chinesen für uns.“ Es werden Behauptungen aufgestellt ohne irgendeinen Beleg dafür zu bringen. Der Großteil des Artikels besteht aus Konjuktiven wie „würden profitieren“.  Aussagen wie „Es ist unbestritten“ sind da schon eher gelogen, denn es ist keinesfalls unbestritten, das kleine und mittlere Unternehmen profitieren.  Der Artikel endet dann schliesslich mit einem Satz von Peter Chase von der US Chamber „Es ist sinnvoll, ein eigenes Impact Assesment für KMU einzuführen, da das Handelsabkommen nur dann gut funkionieren kann, wenn vor allem der Mittelstand Nutzniesser ist.“ Nur worin der Nutzen genau liegen soll, wird mit keinem Wort erwähnt.

Die Vorteile, die erwähnt werden wie zum Beispiel, dass Firmen künftig Waren von US-amerikanischen Firmen beziehen können, die bisher nur innerhalb Amerikas vertrieben werden, sind kein Gegenstand von TTIP, denn ob eine amerikanische Firma nur wegen TTIP den Vertriebweg erweitert, ist zu bezweifeln.  Was die Formalitäten mit dem Zoll anbelangt für Importe aus den USA, so ist das eine Frage des Preises, der der Faustformel folgt ( ( Warenwert + Versandkosten ) * Zoll ) * Einfuhrumsatzsteuer. Regularien wie zur Warengruppe 9302000000 sollten möglicherweise nicht geändert werden, denn die Freiverkäuflichkeit von Waffen wollen wir in der EU wohl nicht.  Wenn TTIP dazu führt, das jeder Waffen aus den USA importieren darf, weil das sonst ein Handelshemmnis ist, dann mag das zwar im Sinne der Waffenhändler sein, aber es ist politisch eben nicht gewollt.

Abgesehen davon, dass der Artikel der IHK TTIP über den grünen Klee lobt, ist er bemerkenswert faktenlos.

Münchner ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff über skandalöses Gutachten empört

„Wir lassen uns von den Freihandelsbefürwortern keinen Maulkorb verpassen“

Pressemitteilung

Jetzt schlägt´s wirklich 13! So kommentiert der Münchner ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff das soeben vorgelegte Gutachten des Bundestags (s. Link).

Das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes besagt, dass es den Kommunen künftig verboten sein soll, über das Thema Freihandelsabkommen zu reden und die möglichen Auswirkungen im Stadtrat zu erörtern. Zitat aus dem Gutachten: „Weder den Gemeinderäten noch den Kreistagen stehen Befassungs- oder Beschlusskompetenzen im Hinblick auf eine politische Erörterung oder Bewertung der geplanten Freihandelsabkommen zu.“

Anstatt die Bedenken der Mehrheit der Bürger und der Kommunen ernst zu nehmen und endlich die Geheimverhandlungen zu beenden, sollen Diskussionen darüber im Keim erstickt werden. Das ist ein beunruhigender  Angriff auf die Demokratie, der jeden von uns alarmieren muss und uns alle zum Handeln aufruft. „Wir sehen uns darin bestärkt, dass sich das sogenannte Freihandelsabkommen mehr und mehr zu einer Freihandelsdiktatur entwickelt.“

Der ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff fordert nun den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter auf, seinen Parteikollegen in der Bundesregierung, die diese Freihandelsabkommen noch immer decken, einen gesalzenen Protestbrief zu schreiben. Ungeachtet der Androhung, dass die Bundesregierung die Kommunen verklagen könnte, wenn der Stadtrat das Thema auf die nächste Tagesordnung setzt, wird die ÖDP-Stadtratsgruppe genau dies beantragen. „Noch bestimmen wir selbst, über was wir in unserem kommunalen Gremium sprechen wollen und über was nicht.“ so Tobias Ruff kämpferisch.

Vor allem das Freihandelsabkommen TISA soll den Dienstleistungsbereich neu ordnen. Dann könnten sämtliche kommunale Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser, Stadt- und Gemeindewerke und andere Einrichtungen der Daseinsvorsorge betroffen sein. Auch die kommunalen Spitzenverbände sieht Tobias Ruff in der Pflicht: „Die kommunalen Spitzenverbände dürfen sich diesen Maulkorb nicht gefallen lassen.“ Er verweist auf ein Schreiben des Bayerischen Städtetags vom 11. August 2014 welches klargestellt hat, dass es den Kommunen erlaubt sei, sich mit dem Thema zu befassen, wenn es einen örtlichen Bezug gibt (siehe Link).

http://www.oedp-muenchen.de/aktuelles/pressemitteilungen/nachrichtendetails/news/muenchner-oedp-stadtrat-tobias-ruff-ueber-skandal/