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Holger Krahmer und Silvana Koch-Mehrin: von EU-Abgeordneten der FDP zu Lobbyisten

Vielleicht bedarf es nicht so viel Mut, den Sprung zu wagen: Die Entfernung zwischen Politik und Wirtschaft ist manchmal unerheblich… Das beweisen wieder zwei EU-Abgeordneten der FDP, die sich für die Wirtschaft entschieden haben.

Silvana Koch-Mehrin hat sich mit Handelsfragen in Parlament beschäftigt, vor allem mit Russland und Kanada und ist eine Befürworterin des CETA-Abkommens. In der Agentur gplus europe, wo sie jetzt angestellt ist, macht man keinen Hehl daraus, dass es ein guter Fang ist und so wurde sie im April auf derer Webseite vorgestellt: „(…) In Brüssel ansässig, bringt Silvana ihre fantastischen und aktuellen Erfahrungen aus dem Europäischen Parlament mit.“

Laut LobbyControl hat diese Agentur ein großes Interesse daran, dass TTIP durchkommt:

„Im Jahr 2014 hat gplus nach eigenen Angaben einen Umsatz zwischen € 3.000.000 und € 3.249.999 mit Lobbyaktivitäten gemacht. Ihr größter Kunde ist die Archer-Daniels-Midland Company, ein US-amerikanisches Lebensmittel- sowie Rohstoff- und Handelsunternehmen. Das Unternehmen bringt gplus einen Lobbyumsatz von € 300.000 bis € 400.000 jährlich. Lobbyaufträge im Wert zwischen € 100.000 und € 199.999 hat gplus unter anderem von Kunden wie dem Europäischen Verband der Pharmaindustrie (EFPIA), Qualcomm (eine US-Firma für IT-Produkte), der Motion Picture Association und einer Koalition „nicht-europäischer Unternehmen, die in der Produktion von Chemikalien sowie in dem Handel dieser mit der EU tätig sind“.“

Holger Krahmer wechselte zu Opel und General Motors. Kurz nachdem er das EU-Parlament verließ, wurde er bei einer Beratungsfirma tätig (Hannover Communication). Laut Lobbycontrol gehören „zu den Klienten Anglo American, der Biotech-Lobbyverband EuropaBio sowie weitere an TTIP interessierte Unternehmensverbände“.

Seit April 2015 ist Krahmer bei Opel beschäftigt, wo er die Stelle des Direktors für Europäische Angelegenheiten, Politik und Regierungsbeziehungen innehat.

Weder Koch-Mehrin noch Krahmer sehen einen Interessenkonflikt bei ihrem jeweiligen Wechsel. Natürlich haben sie sich an die Regeln gehalten, die das EU-Parlament im Falle eines Wechsel vorschreibt. Dennoch ist es nicht zu leugnen, dass die gesammelten Erfahrungen und geknüpften Kontakte der ehemaligen Abgeordneten von hoher Brisanz für die Wirtschaft sind. Es ist an der Zeit, andere Riegel vorzuschieben… Nein, es ist überfällig!

Die Bundeskanzlerin wird bestimmt in Oktober mitdemonstrieren, denn…

… „sie unterstützt die Forderung, die Globalisierung fair und gerecht zu gestalten“, heißt es auf der Webseite der Bundesregierung.

Wie schön, Frau Merkel! Dann sind wir doch einer Meinung!

Die Frage ist nur: Was heißt hier „fair und gerecht“? Inwiefern haben wir noch eine Gestaltungsmöglichkeit, wenn wir nicht mal gehört werden: Ein deutliches NEIN mit der EBI und über 2.300.000 Unterzeichner sind noch nicht laut genug? Sind wir wir denn alle Griechen?

DGB zufrieden?

Von Anfang an haben CETA und TTIP eine unbequeme Position für den DGB bedeutet, sozusagen zwischen den Stühlen. Nun aber hat er die Seite Gabriels im Juni verlassen und ist doch zu den Gegnern der Handelsabkommen gewechselt.

Nach der Resolution, die Anfang Juli im Parlament adoptiert wurde, meinte der DGB in einer Presseerklärung vom 8.07.2015, das sei „ein Schritt in die richtige Richtung“. Ausreichend ist es noch lange nicht. „TTIP darf kein ISDS, gleich welcher Form, enthalten“, meinte Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied.

Außerdem sollten die Änderungen auch für CETA gelten. Wenn nicht, dann heißt es: NEIN zu CETA.

http://www.dgb.de/presse/++co++341594e8-255f-11e5-aa98-52540023ef1a/

 

 

Interview von Franz Kotteder im 4/2015 SlowFood-Heft

Laut Franz Kotteder, Redakteur der SZ und Autor von verschiedenen Büchern (u.a. über TTIP Der grosse Ausverkauf, beim Ludwig Verlag erschienen), geht es nicht bei dem Handelsabkommen darum „praktische und nachvollziehbare Probleme“ zu lösen, sondern darum, eine „Liberalisierung auf allen Ebenen“ einzuführen und „eine weitere Entfesselung des Marktes“ zu ermöglichen.

Dass das „Verhandlungsmandat völlig umgeworfen“ wurde, hält Franz Kotteder für eine „reine Show“. Weiterhin sollen – nach wie vor – Handelshemnisse, „ein sehr dehnbarer Begriff“, abgebaut werden.

Der Journalist bedauert, dass viele EU-Abgeordneten leider nicht wissen, was im Mandat steht. Wen wundert das? Bei dem Fachjargon und der Textmenge…

Nichtsdestotrotz findet er keinen Grund den Kopf hängen zu lassen: bis alles in den jeweiligen Sprachen übersetzt wird, dauert es noch „sicher zwei Jahren“, und dann muss noch „der Text beschlossen werden“. Außerdem seien schon Handelsabkommen gescheitert, erinnert Franz Kotteder an MAI und ACTA. Es ist zwar noch nicht klar, ob jedes nationale Parlament das Abkommen ratifizieren muss, aber einige Passagen betreffen die einzelnen Länderverfassungen. Auch wenn „der endgültige Entwurf um einiges schlanker sein wird“, wird es wohl „eine Reihe von Zuckerln geben, mit denen die nationalen Regierungen ihre Zustimmung schmackhaft gemacht werden sollen.“

Zum Schluss ermahnt uns Franz Kotteder nicht zu vergessen, dass CETA schon ausverhandelt worden ist und vor der Tür steht: „Die 1634 Seiten werden gerade übersetzt.“ Die Gefahr besteht darin, dass „viele Konzerne mit Investorenschutzklagen dann über den Umweg Kanada gehen werden“ und „wenn CETA einmal beschlossen ist, gibt es keinen Grund mehr, TTIP abzulehnen.“

Bleiben wir also auf der Hut!

Nicht locker lassen: Die EU-Abgeordneten sollen weiterhin wegen CETA von uns hören!

Den Sozialdemokraten wurde ihre Zustimmung zum ISDS-Kompromisstext als ein Nein zum CETA-Abkommen mit Kanada verkauft. Das CETA-Abkommen enthält nämlich eine unreformierte Form von ISDS und würde damit den in der Resolution formulierten Anforderungen des EP nicht genügen. Daran müssen wir die Europaabgeordneten in den kommenden Monaten immer wieder erinnern. Entweder Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres wird das EP nämlich über die Ratifizierung des CETA-Abkommens abstimmen. Wenn es seinen roten Linien treu bleibt, müsste es eigentlich mit Nein stimmen – eine Hoffnung, die nur Wirklichkeit werden wird, wenn der öffentliche Druck entsprechend groß bleibt.