Bündnis STOP TTIP
Was äußerster noch vor Geheimhaltung einem Jahr unter verhandelt werden sollte, ist ein Jahr später in aller Munde: TTIP – das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. 290 Organisationen aus 21 EU-Ländern umfasst inzwischen das Bündnis gegen TTIP und CETA (Vertrag zwischen Kanada und der EU). Auch bundesweit haben sich Gruppen unterschiedlicher parteipolitischer Orientierung, darunter auch pax christi, Deutsche Sektion, zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um ihre Sorge um europäische Sozial- und Umweltstandards und um die Gefährdung der Demokratie durch die Einführung intransparenter Schiedsstellen Ausdruck zu verleihen. Am 4.11.2014 kam es nun auch in München zur Gründung von „Bündnis STOP TTIP München“, dem neben Attac München, Mehr Demokratie e.V., B90/Grüne München, ver.di München LINKE, München u.a. auch pax christi München beitrat.
Vorausgegangen war am 11.9.2014 die Ablehnung der Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA durch die EU- Kommission mit einer fadenscheinigen Begründung. Vorgeschoben wurden rein formelle Bedenken, die juristisch mehr als fragwürdig sind. Gegen diese Entscheidung wurde am 10. November 2014 Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.
Die Unterschriftensammlung zur „selbstorganisierten Bürgerinitiative“ läuft inzwischen erfolgreich. Unterschriftsmöglichkeiten bieten z.B. die Internetseiten von Attac, Umweltinstitut München e.V., Mehr Demokratie e.V. an. Auf einem europaweiten Aktionstag am 11.Oktober 2014 wurde mit Infoständen, Vorträgen und Demonstrationen gegen die geplanten Abkommen TTIP, CETA und TiSA (Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen – im Verhandlungsstadium zwischen EU und 21 anderen Ländern) auch in Bayern an 13 Orten demonstriert.
Inzwischen erkennen auch die Kommunen die Gefahren, die für sie hinsichtlich der von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen von diesem Abkommen ausgehen. Seit dem 30.10.2014 liegt ein Rechtsgutachten des Rechtswissenschaftlers Andreas Fischer-Lescano, Völkerrechtler an der Universität Bremen, vor. Fischer-Lescano kommt zu dem Ergebnis, dass das Freihandelsabkommen CETA, das inzwischen vorliegt, gegen europäisches und deutsches Recht verstößt. Das Gutachten hält die Vereinbarungen zum Investorenschutz für angreifbar und eine Zustimmung sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat für erforderlich. Die hier geäußerten juristischen Zweifel werden sicherlich auch Auswirkungen auf das TTIP-Abkommen haben.
Ist TTIP ein Thema für pax christi?
Stefan Leibold, Kommission „Globalisierung und soziale Gerechtigkeit“ pax christi Deutsche Sektion, schreibt in einer Stellungnahme vom 5. Juni 2014: „Wenn es (das Abkommen) Wirklichkeit wird, verschärfen die Maßnahmen die Lebenssituation vieler Menschen in Europa, den USA und weltweit“. – Dies wird besondersfür die Entwicklungsländer gelten, die bei diesen Anforderungen nicht mehr mithalten können, die den Investoren ausgeliefert sind und deren Verarmung vorprogrammiert ist. Das kann uns als internationale katholische Friedensbewegung nicht gleichgültig sein. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen, nicht der wirtschaftliche Erfolg. Andere kirchliche Stimmen Auch der Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising fordert mit einem Beschluss der Herbstvollversammlung 2014 eine „umfassende Neuausrichtung von TTIP“, er fordert im Verbraucher- und Gesundheitsschutz. „Beibehaltung und internationale Einführung von hohen Standards“. Der Diözesanrat befürchtet den Abbau sozialer Errungenschaften für Arbeitnehmer/innen und möchte den Klimaschutz sowie eine bäuerliche, regionale und ökologische Landwirtschaft erhalten wissen. Ferner lehnt er die Privatisierungen von lebenswichtigen Leistungen wie Wasser, Energie, Abfall, Gesundheitsfürsorge und Bildung ab und wehrt sich gegen die „Etablierung eines vordemokratischen Raums, in dem Handelsvereinbarungen entstehen und weitergeführt werden“. Erfordert eine gerechte und nachhaltige Weltwirtschaftsordnung. Auch der Vorstand des Evangelischen Verbandes Kirche/Wirtschaft/Arbeitswelt KWA, Hannover, weist in einer Stellungnahme vom 5. November 2014 darauf hin, dass diese Verhandlungen einer „ökonomischen Logik“ folgen, die dem „nahezu unbegrenzten Freihandel eine allgemeine wohlstandsmehrende Wirkung zuschreibt“. Es heißt dort weiter: „Gegen diese Logik sprechen allerdings die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, in denen die in weiten Teilen unregulierte Globalisierung nicht nur Gewinner, sondern auch zahlreiche Verlierer hervorgebracht hat.“ Die Stellungnahme zweifelt die voraus gesagten Wachstumsgewinne an und fordert „eine seriöse Darlegung der zu erwartenden Arbeitsplatzverluste und der möglichen negativen externen Effekte (Gesundheitsschäden, soziale Konflikte, ökologische Schäden), die außerhalb der profitierenden Unternehmen, Branchen oder Regionen anfallen“.
In der Stellungnahme wird gefordert, dass demokratisch gewählte Parlamente auch in Zukunft berechtigt sein müssen, Verbesserungen vorzunehmen oder Fehlentwicklungen korrigieren zu können, ohne dass die Investitionsschutzbestimmungen greifen. Weiter heißt es mit Blick auf die Entwicklungsländer: „ Ein Vertrag, dessen Ziel es ist, globale Standards für den globalen Handel (und damit auch für die Produktion von Waren und Dienstleistungen) zu setzen, deren Wirkung also deutlich über das Gebiet der Vertragspartner hinausgeht, muss Mitverantwortung für die Betroffenen übernehmen. Die berechtigten Interessen von Entwicklungs- und Schwellenländern müssen Berücksichtigung finden, um zu verhindern, dass diese in ihrer nationalen Souveränität und in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt werden. Freiheit findet immer ihre Grenzen, wo die Freiheit und das Wohlergehen von anderen beeinträchtigt werden.“ Fazit: TTIP gefährdet Gerechtigkeit, sozialen Frieden und Demokratie. Das geplante Abkommen ist komplex und ein gewaltiges Vorhaben, mit dem der mächtigste Wirtschaftsraum in der globalisierten Welt entstehen soll. Das Wirtschaftliche hat damit eine hochpolitische Dimension. Die Auswirkungen betreffen alle Lebensbereiche der Bürger in der EU und USA, durch die Folgewirkungen aber auch die Menschen in allen anderen Ländern.
Die Annahme eines in Aussicht gestellten Wachstums mit angeblich mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand überzeugt nicht. Wenn die EU – Kommission im Interesse der transnational handelnden Unternehmen Schiedsstellen zulässt und dadurch die nationalen Gerichte ausschaltet, beeinträchtigt sie den Rechtsstaat und unsere demokratische Ordnung. Die Spannungen in der Gesellschaft (arm/reich) in den einzelnen EU-Ländern und zwischen diesen werden sich verschärfen, ebenso die Spannungen zu Ländern außerhalb dieses Abkommens. Fluchtbewegungen und Spannungen mit Kriegsgefahr sind nicht ausgeschlossen.
Als EU-Bürger muss man besorgt sein über ein Denken und Handeln in Brüssel, basierend auf Eurokapitalismus ohne Demokratie. Deshalb muss auch pax christi an diesem Thema dranbleiben.
München, 28.11.2014
pax christi Gruppe St. Ignatius/Leiden Christi
pax christi München vertritt auch die Deutsche Sektion im anti-TTIP Bündnis umfairteilen.de.